Monovision: Ein kritischer Blick auf eine populaere Sehkorrektur

Ein Leben ohne optische Brille oder Kontaktlinsen – dieses Versprechen klingt für viele Menschen mit einer Sehschwäche auf den ersten Blick verlockend. Monovision wird oft als praktische Lösung angepriesen, um eine Fehlsichtigkeit zu korrigieren und damit unabhängig von Sehhilfen zu werden. Bei dieser Form der Sehkorrektur wird ein Auge – meist das dominante Auge bzw. das sogenannte Führungsauge – primär für die Fernsicht, das andere auf die Nahsicht optimiert.

Das Konzept der Monovision scheint auf den ersten Blick eine einfache Lösung für ein komplexes Sehproblem zu bieten und wird häufig von Laserinstituten angeboten – unter anderem bei notwendigen Operationen wie dem grauen Star. Doch diese scheinbar simple Sehkorrektur birgt langfristig betrachtet erhebliche und unterschätzte Risiken und Nachteile.

Als erfahrener Optikermeister im Bereich der Sportoptik möchte ich meine Bedenken bezüglich Monovision mit Ihnen teilen und aufzeigen, warum diese Methode im Alltag – und besonders im Bereich des Sports – kritisch betrachtet werden sollte. Ich zeige Ihnen anhand von einigen Beispielen, wie sich Monovision konkret auswirkt. Doch dazu ist es wichtig zu verstehen, wie das Sehen funktioniert.  

Die Bedeutung des beidäugigen Sehens (Binokularsehen)

Das Sehen mit zwei Augen – das sogenannte Binokularsehen – ermöglicht es uns, die Welt in drei Dimensionen wahrzunehmen und ist entscheidend für die Tiefenwahrnehmung, die räumliche Orientierung und das koordinierte Zusammenspiel unserer Augenbewegungen. Nur wenn beide Augen harmonisch zusammenarbeiten und ähnlich scharfe Bilder auf der Netzhaut liefern, kann das Gehirn die visuellen Eindrücke effizient und in Echtzeit verarbeiten.

Binokularsehen

Eine Korrektur der Fehlsichtigkeit beeinflusst stets auch die Augenkoordination. Vor einem operativen Eingriff sollten Sie das Verhältnis beider Augen exakt überprüfen lassen, um später Probleme im beidäugigen Sehen zu vermeiden. Schon minimale Unstimmigkeiten – wie unterschiedlich große Netzhautbilder, unpassende Sehhilfen oder ein latentes Schielen – sorgen dafür, dass das Gehirn beim Verarbeiten von visuellen Eindrücken auf Hochtouren läuft. Ist das Gehirn damit überfordert, kann der Seheindruck eines Auges zeitweise sogar unterdrückt werden.

Störungen in diesem fein abgestimmten System, wie sie bei Monovision auftreten, beeinträchtigen das 3D-Sehen und äußern sich in Schwierigkeiten bei der räumlichen Wahrnehmung. Erfahrungsberichte von Betroffenen schildern dabei oft Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme und Lernschwierigkeiten (Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten und Legasthenie) oder Koordinationsprobleme, besonders in Ballsportarten.

Monovision und ihre Auswirkungen

Monovision nach einer Operation des grauen Stars

Bei einer Star-Operation wird, vereinfacht gesagt, die trübe Augenlinse durch eine künstliche, transparente Linse ersetzt. Sollten Sie sich dabei für Monovision entscheiden, kann dies gravierende Auswirkungen auf die visuelle Verarbeitung Ihrer Augen nach der Operation und Nachteile für Sie haben.

Denn durch die Monovision-Korrektur wird Ihre Wahrnehmung von Distanz und Geschwindigkeit nahezu ausgeschalten; darüber hinaus reduziert sich Ihr Gesichtsfeld um etwa ein Drittel. Im Alltag merken Sie dies vor allem im Straßenverkehr oder bei sportlichen Aktivitäten: Einerseits fehlt das natürliche Distanzgefühl zu Boden, Stufen oder Gehsteigen und andererseits ist das räumliche Sehen eingeschränkt. Durch diese enorme Begrenzung im Sehen nehmen Stürze im Alltag zu und Sie können sich ernsthaft verletzen. Insbesondere ältere Menschen, die häufig von derartigen Eingriffen betroffen sind, erleben eine spürbare Beeinträchtigung ihrer Mobilität und Sicherheit.

Aber warum ist das so?

Die Interaktion zwischen Fehlsichtigkeit und Augenkoordination ist komplex und sollte durch Korrekturen niemals negativ beeinflusst werden. Wenn Sie kurzsichtig sind, sollte Ihre Sehstärke so angepasst werden, dass Sie beschwerdefrei sehen können – ohne dabei in die Weitsichtigkeit zu gelangen. Entsprechend dürfen weitsichtige Personen durch Korrekturen nicht kurzsichtig gemacht werden. Der Grund liegt in der Notwendigkeit, das natürliche Gleichgewicht und die harmonische Zusammenarbeit der Augen zu bewahren, um Sehprobleme und Koordinationsstörungen zu vermeiden.

Bei einer Monovision-Korrektur wird üblicherweise Ihr dominantes Auge (Führungsauge) nahe null Dioptrien angepasst, während das andere Auge (Begleitauge) auf einen Wert zwischen minus zwei und minus drei Dioptrien eingestellt wird. Ohne Monovision arbeiten beide Augen abhängig von der betrachteten Distanz zusammen. Die Monovision-Korrektur verhindert jedoch dieses akkordierte Zusammenspiel, da nicht mehr beide Augen abwechselnd die Führung übernehmen können.

Wie bereits erwähnt können Sie dann Distanzen und Geschwindigkeiten kaum mehr wahrnehmen. Und auch Ihr Gesichtsfeld, das bei beidäugigem Sehen normalerweise einen Sehwinkel von bis zu 200 Grad hat, reduziert sich auf unter 140 Grad – und das beeinflusst die Körperkoordination, die vom räumlichen Sehen gesteuert wird, wesentlich.  

Aus unserer Sicht als langjähriger Optikermeister sollten Sie eine Monovision nach einer geplanten Star-OP in jedem Fall vermeiden. Denn ein funktionierendes beidäugiges Sehen (Binokularsehen) ist die beste Sturzprophylaxe und garantiert mehr Sicherheit in allen Lebenssituationen. 

Monovision beim Sport

Monovision beim Sport

In meiner Praxis sehe ich regelmäßig, wie eine durch Monovision verursachte Beeinträchtigung des 3D-Sehens die sportliche Leistungsfähigkeit negativ beeinflusst. Fast alle Sportarten erfordern ein hohes Maß an räumlicher Wahrnehmung und Koordination, die durch Monovision signifikant reduziert wird. Dies kann zu einer verzögerten Reaktion auf Bewegungen und Distanzen führen, was nicht nur die Leistung, sondern auch die Sicherheit beeinträchtigt. Davon betroffen sind fast alle Sportarten wie RadfahrenTennisSchwimmenLaufen aber auch Bergwandern.

Monovision erschwert das Einschätzen von Ballflugbahnen, Hindernisdistanzen oder der Beschaffenheit von Spielflächen (wie z.B. dem Grün im Golfsport) erheblich oder macht es sogar unmöglich. – Und das führt oft zu frustrierenden Erlebnissen im Sport. Ich kenne nur wenige Fälle, in denen Monovision – sei sie angeboren oder künstlich erzeugt – die sportliche Leistung nicht beeinträchtigt. Ein Beispiel hierfür ist der Schießsport in statischen Disziplinen, bei denen sowohl Schütze als auch Ziel unbewegt bleiben.

Monovision nach einer Laser-OP

Die anfängliche Begeisterung für Monovision nach erfolgter Laserbehandlung verblasst oft, wenn die langfristigen visuellen Einschränkungen deutlich werden. Neben den bereits erwähnten koordinativen Beeinträchtigungen und Problemen mit der räumlichen Wahrnehmung können sogenannte Halo-Effekte und Streuungen bei Dämmerung oder Nacht die Sicht zusätzlich erschweren. Der Halo-Effekt bezeichnet eine visuelle Wahrnehmungsstörung infolge der Korrektur von starker Fehlsichtigkeit, bei der im Randbereich der gelaserten Fläche Lichtreflexionen und unkontrollierbare Streueffekte auftreten können.

In Verbindung mit Monovision führt dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung in der Wahrnehmung und stellt ein erhöhtes Risiko im Straßenverkehr als auch beim Sport dar. Außerdem kann die unterschiedliche Abbildung von visuellen Eindrücken in beiden Augen Größenunterschiede der Netzhautbilder verursachen. Das Gehirn ist dann gezwungen, zwei verschieden große und möglicherweise unterschiedlich kontrastreiche Bilder zu verarbeiten – das verursacht einen unnötigen Mehraufwand und beeinflusst Konzentration, Koordination und Sicherheit negativ.

Monovision nach einer Laser-OP
Monovision mit Kontaktlinsen

Monovision mit Kontaktlinsen

Bei der Anpassung von Kontaktlinsen wurden erste Versuche mit Monovision durchgeführt, um zu testen, ob das Gehirn diese Sehkorrektur akzeptieren kann. Dies ist besonders relevant bei der Vorbereitung auf eine mögliche Monovision-Operation.

Bei der Anpassung multifokaler Kontaktlinsen wird oft die modifizierte Monovision angewendet: Hierbei wird das Sehvermögen eines Auges für die Ferne und des anderen für die Nähe optimiert, indem das breite Abbildungsspektrum multifokaler Linsen genutzt wird. Da jedoch beide Linsen Ferne wie Nähe abbilden, kommt es zu deutlich geringeren Einschränkungen im binokularen (beidäugigen) Sehen im Vergleich zur reinen Monovision.

Gleichzeitig soll nicht unerwähnt bleiben, dass Multifokallinsen in puncto Kontrastsehen meist merkliche Defizite im Vergleich zu Einstärken-Kontaktlinsen aufweisen. Die zusätzliche Gewichtung und damit verbundene Disbalance beider Augen kann auch hier zu negativen Folgen bei Gleichgewichtssinn, Raumwahrnehmung und sportlicher Leistungsfähigkeit führen.

Unser Fazit als Meisteroptiker

Monovision eignet sich nur für einen sehr kleinen Kreis an Personen mit Sehfehlern als geeignete Korrekturmethode. Ob Monovision für Ihren Alltag und Ihre sportlichen Aktivitäten passend ist, lässt sich am besten mittels Kontaktlinsen testen, die unterschiedliche Sehstärken aufweisen: dabei wird ein Auge für die Ferne (in der Regel das dominante Auge) und das andere für die Nähe korrigiert. Dennoch ist aus Gründen der Sicherheit, Koordinationsfähigkeit, sportlichen Leistung und Sturzprävention von dieser Korrekturmethode dringend abzuraten.

Haben Sie noch Fragen?  Sie sind unsicher, ob Monovision für Sie in Frage kommt? Gerne beantworte ich als erfahrener Sportoptiker und langjähriger Optikermeister Ihre Fragen dazu – vereinbaren Sie doch einfach einen persönlichen Termin!